(1)
Der Zug der vorbei rauscht ist so laut das alles
andere einfach verstummen muss. Einige versuchen noch dagegen anzuschreien,
aber müssen sich nach ein paar wenigen Wortfetzen geschlagen geben. Man steht
nur daneben und wundert sich, während sich die Armhaare zu Berge stehen. Zack –
Zack – Zack. Der Zug rattert über die Gleise. Der Wind der dabei entsteht, föhnt
kalt durch mein Haar. Der Ton ist schrill und doch irgendwie dumpf und löst
manchmal fast so etwas wie einen Migräneanfall bei mir aus. Zumindest aber
einen waschechten Tinitus. Danach fühlt man sich so wie betäubt oder überfahren,
oder erst betäubt und dann überfahren. Nach ein paar Sekunden ratloses
Schweigen nehmen die zuvor geschwätzigen Leute langsam wieder ihre angefangenen
Gespräche auf. Sie reden, aber ich höre nur bla – bla – bla. Kein Wort, nur Stimmen.
Irgendwo schreit ein Kind, irgendwo bellt ein Hund, ein Lautsprecher brüllt im
monoton- gelangweiltem Durchsage-Ton irgendwelche Sätze in ein knatterndes
Mikro. Auf meiner Haut bildet sich Gänsehaut, auf meinen Schläfen brummt es, als spiele dort ein
wild gewordener Presslufthammer verrückt oder als wäre eine verstimmt Geige
entgleist. Meine Ohren fiepen in einem mechanischem Ton der einem vermittelt ‚irgendwas
funktioniert nicht mehr’, während ich versuche mich langsam vom einem weiteren traumatischen Zugerlebnis zu erholen.
(2)
Die Farbe des Kaffees ist Haselnussbraun. ¼ kalte
Halbfett-Milch ergänzen den perfekten Geschmack von ¾ frisch gebrühtem, heißem
Espresso. Es riecht gemütlich, nach vertrauter Heimat und fremder Ferne. Nach
Ankommen und Wegwollen. Überall sein, Zuhause sein. Es wärmt die Hände, den
Hals, es macht ein wohliges Gefühl im Bauch. Man trinkt zusammen, in
Gemeinschaft, mit Gleichgesinnten. Oder allein, bewusst und zwischen Tür und
Angel. In Häusern, in Cafés oder Draußen, auf Stühlen, Bänken und Boden. In Gedanken, mit Sonne im Nacken oder windigem Pony.
In Kombination mit Kuchen oder Kippe, zu Aufheiterung oder zum Wachwerden. Vor
dem Schlafen, nach dem Essen, dazu, als Ersatz. Am Ende bleibt ¼ des flüssigen
Glücks übrig. Die Zeit des Genießens dauerte nicht länger als zehn Minuten. Dann
ist auch der perfekte Espresso mit Milch kalt, eklig und irgendwie immer einen
Tick zu milchig.
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An diesem falschen Aprilsonntag mal eine Portion (versuchtes Sinnes-) Kopfkino. Voilà!