Sonntag, 22. März 2015

Erfahrungen am eigenen Leib


Ich erlebe den Dienstagmorgen wie er mit großer Anstrengung beginnt. Er beginnt damit, dass ich mich mühsam, wie eine schwerfällige alte Dame aus dem Bett kriechen muss. Gebrechlich, träumend, verwirrt. Ich schleiche ins Bad, zurück in mein Zimmer und muss mich aus- und wieder anziehen. Allein diese Aktivitäten halte ich vor acht Uhr morgens für relativ zumutbar. Aber dann geht es aber erst richtig los. Brot, Butter, irgendwas, kauen, schneller kauen, Wimpern tuschen, wenn es gut läuft noch ein bisschen rouge’ieren. Meistens läuft es nicht gut und ich bin froh wenn ich Schuhe und eine Hose trage. Wenn ich dann um kurz nach acht in der kleinen Turnhalle stehe möchte ich mir am liebsten erst einmal ein Bundesverdienstkreuz verleihen. Also mindestens. Stattdessen bekomme ich jetzt die Aufgabe meinen Körper noch ein bisschen mehr wahrzunehmen, ein bisschen mehr zu spüren, sehr achtsam zu sein, aber meine körperlichen Bedürfnisse so weit zurück zuschrauben, dass ich am Ende völlig wach und präsent bin. Ehrlich, spontan, kritisch, selbstkritisch, mit mir, mit den anderen, spiegelnd, den Spiegel wahrnehmend, auf mich konzentriert, meinen Bedürfnissen entsprechend. Ganz authentisch eben, nur nicht schlafend. Wir tanzen umher wie ein Haufen desolater Tiere. Tiere denen ein Bein fehlt, die deshalb hinken und seltsam im Kreis springen. Nachdem ich oder die Turnhalle nach Schweiß stinkt, habe ich nach ein paar animalischen Bewegungen die eher einer schlafenden Katze ähneln, bereits meine körperliche Höchstgrenze erreicht. Ich halte es für eine Höchstleitung was wir hier machen, ich halte es für unerklärlich, dass wir hier trotzdem immer wieder auftauchen, im Kreis sitzen und nicht heimlich den Raum verlassen. Das Konzept scheint also zu funktionieren. Ich zerbreche weder, noch schlafe ich ein, halte mich wacker, öffne und verschließe mich wieder. Erst herrscht lange Stille, dann fängt es langsam an zu jucken und am Ende wird überall aufgekratzt. Manchmal blutet es dann, tropft wie ein trauriges Rinnsal durch den Kreis und jeder der will oder kann leckt mal ein bisschen daran. Dann geht es wieder zurück. Aus der Turnhalle, in die reale Welt, zurück in mein Bett. Dort bin nur ich, mit meinen trägen Beinen, meinen schweren Muskeln und kreisenden Gedanken. Nach ein paar Mal tiefem Ausatmen schlafe ich bereits tief und fest. Am Ende - und damit meine ich die überstandenen Selbst-Erfahrungen, die von verkrümmten Bewegungen, über offne Ohren, verständnisvolle und missverständliche Blicke und Worte reichten - ist es 12 Uhr mittags und mein Körper siegt über den verwirrten Geist.   


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Rückblickende Verarbeitung von frühmorgendlichen Uni-Experimenten. 

Dienstag, 17. März 2015

Talking about… xocóatl!


und zur Abwechslung mal wieder was (ganz) Seichtes: 

Zwar ist der Schokoladen-Hype, den vermutlich irgendwann einmal von den Azteken angezettelt wurde, in meinen gesellschaftlich - vermeintlich intellektuellen - Kreisen groß (ich vermute die Assoziation Stress- und Nervennahrung kommt euch sofort) und auf Wikipedia werden immerhin 8 Spiel- und Dokumentarfilme und sechs Schokoladenmuseen (allein in Deutschland und Österreich) gelistet, Schokolade und ich haben aber eher ein ambivalentes Verhältnis zueinander. Es gab sogar mal eine Zeit, da habe wir uns gar nicht verstanden und es auch vermieden uns zu sehen. Denn die Sache ist, entweder esse ich sie auf (komplett) oder ich lasse es einfach sein. Heute lasse ich es also nicht einfach sein. Viel eher lade sie fast täglich zu mir ein und verspeise sie so wie ein läppisches Butterbrot, oder sagen wir lieber gleich, wie die Butter eines Butterbrots (siehe hier auch den Butter-Post). Macht auch Sinn der Vergleich, immerhin befinden sich ganze 18-28g Kakaobutter in einer 100g Tafel Schokolade. Was man – außer Tafeln - sonst alles mit Fett und Kakao machen kann wisst ihr vermutlich, vermutlich nämlich alles. Bei meinem Konsum halte ich mich nicht (nur) mit den billigen Zeitgenossen auf und verweise wie bei allen guten Lebensmitteln auf ihre gesellschaftliche Bedeutung (immerhin waren Kakaobohnen sogar mal Zahlungsmittel). Lindt & Sprüngli  - als Prestigeobjekt - kommt also in meine versnobten Gaumenwände und verbreitet sich dort innerhalb kürzester Zeit zu sahnigem Brei. Diese Schweizer-Qualitäts-Tafel (100g) besteht zwar zu ihrer Hälfte (51g) aus Fett, ist aber tatsächlich so „unendlich zartschmelzend“ wie es sich die Macher – ich meine natürlich die métiers de chocolatiers – gedacht haben. Die Schweizer wissen zwar wie es geht - was man auch in ihrem Konsumverhalten, welches sie nach Deutschland im Schokoladenverzehr pro Kopf anführen, sieht - dennoch scheint Lindt keinen unabhängigen Überprüfungsanspruch zu haben. Woher das Fett zum Zartschmelz also kommt, bleibt vermutlich für immer ein großes Geheimnis. Wenn Lindt keine Zeit hat gibt es immer noch das halbleere Nussnugat Creme für 1,50€ im Regal. Es ist zäh und pampig, viel zu süß und eben kein Lindt & Sprüngli. Trotzdem wartet es dort geduldig und freut sich in meinem Bett gelöffelt zu werden. Schokolade soll angeblich so was wie ein Stimmungsmacher und Aufputschmittel sein, nach unseren meist sehr kurzweiligen Treffen ist meine Stimmung meist jedoch nicht viel besser als vorher, die Zähne dreckig und der Glukosewert so hoch, dass er nicht mehr abgebaut werden kann und direkt in meine Hüften wandert. Dort ist Nussnugatcreme genauso wenig wert wie Lindt & Sprüngli. Die Hüftebene kennt eben keine gesellschaftlichen Unterschiede und scheißt auf Zartschmelz, conchieren, Kokosmilch und dem ganzen fettigen Rest. Nun, immerhin senkt Schokolade unter Umständen (wenn man von all dem Fett nicht ziemlich breit geworden ist) das Blut und es wurde ebenfalls bewiesen (soso), dass zwischen Schokolade und Pickel kein direkter Zusammenhang besteht. Wie schön zu hören.