Ein Plädoyer fürs Ausprobieren (oder mal wieder ein narzistischer Text über den Lebensinn):
„Ich bin kein verdammtes Töpfergut.“ Mit diesem Gedanken und tiefen,
hässlichen Sorgenfurchen laufe ich umher und hasse die Welt. Oder viel eher
mich. Oder alle Anderen. Ich habe mich noch nicht entschieden. Wie immer. Der
Höhepunkt meiner schlechten Laune war vor gut dreißig Minuten als meine
Kollegin mal wieder von mir wissen wollte, was ich denn meinem Leben anfangen
wolle. Was ich werden wolle. Was ich arbeiten wolle. Wie ich leben wolle. Mit
sechsundzwanzig. Sie schreibt gerade ihre Doktorarbeit und hat ein geregeltes
Leben mit geregelter Arbeit. Viele haben ein geregeltes Leben mit
sechsundzwanzig, das ist nicht verwerflich. Sie wusste als sie diesen Job anfing, dass sie jetzt ihre
Doktorarbeit schreiben würde. Sie wusste, dass gehört dazu wie alles andere.
„so wie wenn du einen Töpferkurs belegst und dann deine Sachen in den Brennofen
tust.“ So selbstverständlich war es für sie. Ich habe gerade mein zweites
Studium abgebrochen und mein insgesamt viertes Studium begonnen. Ich versuche
mit verschiedenen Jobs über Wasser zuhalten, damit ich irgendwann einen
Abschluss habe von dem ich nicht weiß ob er mir andere Optionen ermöglicht als eben
genau diese Nebenjobs. Unser Gespräch kann nicht funktionieren. Wir verstehen
uns heute nicht. Völlig in Rage erzähle ich meiner Mitbewohnerin davon. Aber auch sie
versteht mich heute nicht. Sie wusste nach dem Abi dass sie Lehrerin werden
will. Sie macht Nebenjobs um dann Lehrerin zu sein. So wie sie es wollte. Ich
wusste, dass ich nach dem Abi studieren will, also studierte ich. Sechs Jahre ist das
her. Um mein Leben (mit zu) finanzieren arbeitete ich zwischendrin in
Klamotten- und Schuhläden, als Kinderbetreuerin, Schauspielpatientin, studentische Hilfskraft, Hochzeitsfotografin und wenn man es genau
nimmt war auch Beuteldesignerin dabei. Ich wollte Künstlerin, Journalistin,
Psychotherapeutin, Erziehungswissenschaftlerin und Motologin werden.
Tatsächlich habe ich einen Abschluss in Soziologie gemacht. Tatsächlich fand
ich es immer gut wenn ich mich nicht entscheiden musste. Wenn es einfach so
passierte. Tatsächlich habe ich Vieles ausprobiert. Ich bereue nichts
davon, denn ich bin kein verdammtes Töpfergut. Ich bin unfertig, launisch und
immer auf der Suche. Ich probiere gerne Dinge aus und höre immer genau dann
damit auf, wenn ich es wirklich nicht mehr machen will. Das dauert manchmal
mehrere Jahre, manchmal einen Tag. Letzte Woche wollte ich mir ein Wurfzelt
kaufen und damit die Welt bereisen, was ich letztendlich nicht getan habe. Kann
sein dass ich damit nicht besonders gesellschaftskompatibel bin und kann sein,
dass ich deshalb manchmal so wütend werde. Weil ich weiß, dass ich einiges,
vielleicht zuviel von meinem Leben erwarte. Dass ich manchmal wünschte alles
wäre soviel einfacher, wenn ich nur wüsste was ich genau will. Was ich antworten
könnte, wenn man mich fragt „Jetzt sag doch mal, was willst du denn machen?“ und
mich dabei eindringlich ansieht. Ich könnte mir so Vieles vorstellen und so
Vieles nicht. Von Anpassungsschwierigkeiten über Aufmüpfigkeit wurde mir schon
Vieles an den Kopf geworden. Meistens von mir Selbst. „hab dich nicht so“, „stell dich nicht so an“, „alle machen das so“ und
„zieh halt mal was durch“ sind trotzdem Sätze die nicht gerade zu meinen
Favoriten gehören. Ich habe das Bedürfnis mich zu rechtfertigen und mich zu erklären.
Den ganzen Druck abzuschütteln. Mich selbst von mir zu überzeugen und von der
Flucht mit dem Wurfzelt abzubringen. Denn „wenn du von dir selbst flüchten
willst, kannst du auch gleich hier bleiben“. Zitat von meiner Mutter, die Recht hat,
hinter mir steht und irgendwie auch mitbeteiligt ist, am ganzen Dilemma. Sie
hat mich gelernt, dass es nicht immer gut ist mitzuschwimmen und manchmal sogar
angebracht auszusteigen. Dafür bin ich dankbar und dennoch verwirrt. Woher kann
ich wissen, was das Richtige ist? Woher soll ich wissen, dass alles gut wird,
wenn ich weiterhin so orientierungslos durch die Gegend laufe und bereits die ersten
grauen Haare auftauchen? Wenn viele verständnislos gucken und ich am Ende meine
größte Kritikerin bleibe. Solche Fragen lassen sich nicht klären, und was
bietet sich da besser an, als einen therapeutischen Text darüber zuschreiben. Auf der Basis von schlechter Laune und ein bisschen Welthass.
„Ich versuche irgendwie lebendig zu sein und mich nicht unterkriegen zu
lassen.“ Vielleicht sollte das meine Antwort sein, auf die Frage was
denn genau meine Bestimmung sei. Denn gerade fühlt es sich verdammt richtig an.