Dienstag, 20. August 2019

Zwangshandlung

Ich versuche mich im Schreiben als innere Zwangshandlung. Forciert und künstlich erzeugt, im Feierabend-Modus und auf dem Sofa hängend. Ein Bein in der Luft, ein Arm bereits im Halbschlaf. Mein Kopf schwirrend, mein Bauch knurrend. Die Gedanken: erst Essen und dann Yoga oder anders herum oder doch lieber gleich Netflix?
Nein, vorher noch ein Text. Über Migräne und am Liebsten würde ich dazu eine ganze Ausstellung machen: mit Texten, die keinen Sinn ergeben, crazy Räumen, die erst quitsch gelb und aggressiv und dann schwarz und eng sind. Oder gleich ein tiefes Becken zum tauchen. Dazu Bilder von zertrümmerten Dingen, die aber poetisch und gar nicht furchtbar aussehen.


Der Kopf ist ein Instrument, das man nicht immer zu benutzen weiß. Jetzt gerade ist es irgendwas zwischen Buena Vista Social Club und einem Sophie Hunger Song. Leicht und rhythmisch und gleichzeitig so schön wirr und schmerzhaft. Schön ist auch, das Nichts da ist und sich in einem leeren Raum aus glattem Zement hin und her wälzt. Oder tanzt? Es ist bereits ein Wimmern zu spüren, direkt links unterem Auge und es zieht langsam bis in die erste Stirnfalte. Die Abspaltung zwischen Kopf und Körper geschieht langsam und mit diversen Vorzeichen. Ich kenne Sie zu genüge und manchmal habe ich das Gefühl, ich könne sogar den Zeitpunkt kontrollieren, wann es geschehen kann. Es ist so, als würde ich die kontrolliert die Kontrolle abgeben können. 
Vielleicht ist das Quatsch, vielleicht auch eher eine philosophische Frage. 
Aber das Wimmern wird zu einem Hupen. Ja, ein ziemlich lautes Hupen. Zwei Hupen, links hinterm Auge und rechts hinten über der dem Nacken. Vielleicht ist es eine Kommunikation zwischen zwei Nerven. Jedenfalls nervt es ganz schrecklich und ist mehr wie so ein Song der nicht aufhört und gleichzeitig an einer Stelle springt. Man denkt, ok jetzt geht es endlich weiter, aber nein. Wieder von vorne. Hupende Autos im Stau und es ist es stickig. 
Das ist dann der offizielle Anfang. Von nun an reagieren andere, aber nicht ich. Ich liege nur und eine schwarze angenehme Decke aus Schmerz legt sich über meinen Kopf. So als würde man tauchen tut sich eine andere Welt auf, die auch schön, aber nicht sehr lebenswert ist. 
Neue Gänge voller Meer und Tiefe werden aufgewühlt, aber ich bin nicht bereit sie zu gehen. Ich friere, denn unter Wasser friert man eben irgendwann. 
Dann wieder Nichts, außer Zeit die vergeht, wie ein Windhauch von weitem. 
Dann wieder Nichts. 
Dann Nichts und auch die Tiefe geht. Langsam auftauchen. 
Dann auftauchen und in einen Berg voll Watte springen. 
Dann in der Watte liegen. Regunglos.
Der Körper ist darin verpackt und die Musik dudelt nur noch Dumpf. 
Hunger und Kälte. Dann Hitze und immer noch großer Hunger. Am Besten fettig und fleischig. 
Ich habe das Gefühl eine lange und anstrengende Reise gemacht zu haben, an die ich mich aber nicht mehr erinnern kann. Wenn ich aufstehe zieht es von den Füßen bis in den Haaransatz, aber der Hunger überwiegt. Licht ist trotzdem schädlich, also esse ich im Dunkeln und mit Sonnenbrille auf der Nase so viel wie ich nur kann, schaufele und stöhne vor Erleichterung. Dann falle ich zurück in die Watte, die mich auffängt wie es ein Wundermittel nur kann, mich bescheuert und redselig werden lässt, plappernd, kindisch, wirr. 
Mein Kopf ist ein Instrument, das ich nicht immer zu nutzen weiß, das sich manchmal wie verquirltes Leben anfühlt. So unsortiert und abgedreht, dass es hin und wieder einfach überhitzt und die Sicherung springt. Zur Sicherheit, aus komplizierten Gründen. 


Zur akustischen Untermalung: Natürlich das oder das!

Dienstag, 19. Februar 2019

crazy little thing called Feierabend.


Ich warte auf etwas, auf was ich niemals warten wollte. Mein Nacken ist verspannt und eine Handbreite unter meiner linken Schulter wird der Daumengroße Knubbel langsam hart wie Stein.  Meine Finger tippen müde auf dem Stück Plastik vor mir herum. Machen klick, klack, klack. Ich summe dazu ein bisschen, popele in der Nase, gähne. Die einzige Pflanze in diesem Raum ist inzwischen ganz blass geworden. Sie ist nicht mal mehr grün, sondern eher fad. So eine Pflanze, die langsam ihre Farbe verliert, habe ich noch nie gesehen. Ich frage mich, ob sie irgendwann weiß wird, oder ob sie vorher stirbt. Sie ist meine Metapher-Pflanze, ich nenne sie 'Über-Ich'. 

Durch die Tür kommt eine Person. Frida. Sie sagt 'naaa bald so weit?'. Ich sage 'ja bald', lächele sie an, eher fad und stelle mir indes vor, ich würde meine Tagesgespräche codieren. Ich überlege mir kurz einige Kategorien: Abkürzungen, Codes, Zeit, Gemüt. Dann schließe ich die Excel-Tabelle und überlege was als nächstes zu tun ist. Meine To-Do-Liste ist genauso lang wie meine imaginäre Ikea-Einkaufsliste. Und ebenso urgent. Frida kommt wieder. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen und schreibe deshalb nur Blödsinn auf meinen Notizzettel. Z.B. Gedanken-reißen. Das passiert mir häufiger. Ich versuche mich auf ein kurzes Gespräch mit diversen Abkürzungen und Codes zum Thema Zeit und Gemüt zu konzentrieren.
'Alles ok?' Ich verziehe den Mund zu einem langen Schlitz und lächele mild. Da ich nicht lügen kann, mache ich stattdessen interpretierbare Grimassen. 'ohje'- Schiefer Blick. 'hast du schon das neue Formular ausgefüllt?' 'welches?' 'na das zur Verhinderung von Spaß am Arbeitsplatz!' Frida lacht laut und ich starre in den PC. Ich rolle ironisch mit den Augen und sage 'ha ha'. Über-ich schaut mich traurig an, Frida geht.

All dieses Potenial das hier rumliegt. In Scheiben und ordentlich sortiert. Ich schreibe auf meinen Merkzettel: positive Einstellungen infiltrieren. Sonst bekomme ich noch den Preis für die grummeligste Person, die hier jemals gearbeitet hat, die ständig flucht und blass wird, wenn sie einen elektrischen Schlag von der Türklinke bekommt. Ich arbeite weiter und hart an mir. Ich sehe, dass der Himmel wieder blau wird. Fülle Formulare aus und schreibe Protokolle und Pressemitteilungen. Ich schreibe bis meine Finger wund werden und mein Po dazu. Dann stehe ich auf, lasse mir einen letzten Schlag geben, schaue bei Frida rein, sage ihr Tschüss, wünsche einen schönen Tag, hebe die Hand für einen letzten Gruß und verlasse mit gesenktem Blick das gläserne Gebäude. Die Frau am Empfang schaut kurz hoch, als ich an ihr vorbei gehe und sagt mit einem strahlenden Lächeln, das ebenso schief in ihrem pausbäckigen Gesicht hängt: 'schönen Feierabend'. Ihre Bluse ist wie der Subtext Alarm-rot.