Teil 1 meiner neuen Serie - Liebeserklärungen an Marburg - Lokalpatriotismus sollte man natürlich immer ernst nehmen!
Dinge geschehen in der Oberstadt,
die sonst nirgends passieren. Zumindest in keiner anderen Oberstadt. Dinge wie
spontane Aktionscamps für Platz und gegen Fleisch, zwischen Zentnern von gelben
Plastiksäcken begrabene Hexen die mit ihrem Strickbeutel zwischen schmalen Häuserwänden
kauern, Kerle die einem „High Five“ rufend entgegen kommen und du gar nichts
anderes tun kannst, als müde deine Hand zu heben. Verwirrte, Grinsende,
Torkelnde. Kotzend, weinend, entgleist. Aller Nationalitäten, aller
Verbindungen. Mit Schirm, mit Charme, mit vollen Einkauftüten, Bagpacks und
Koffern die ein enorm lautes Rattergeräusch hinterlassen. Laute Töne der Lust,
so laut und so leidenschaftlich, dass sie einmal durch sie von Haus zu Haus schallen
und die draußen Verbliebenen zu einem beschämten Lächeln zwingen. Touristen vs.
Studenten. Belagerungen in den Cafés, so als wäre man im südlichsten Süden, manchmal auch
bei Minustemperaturen. Überall gibt es Essen, überall Postkarten und Brillen.
Dazwischen Fairtrade- und Bücher-Läden, teure Boutiquen, Frisöre und Läden von denen
keiner weiß welchem Zweck sie erfüllen und die trotzdem jeder als wichtige
Institution anerkennt. Den Geschenkpapierladen, den Besenladen, den Trashladen.
Alle haben sie irgendwie ihren Platz. Sie haben es sich hart erkämpft, denn die
anderen Läden wechseln den Besitzer sobald man sich nur kurz umdreht. Einen
Laden in der Oberstadt zu halten ist so schwer wie einer Kuh ins Horn zu
petzten. Die Marburger wollen nichts Neues akzeptieren und den
Touris ist sowie so alles egal solange es Essen gibt. Dann verziehen sie sich
notfalls auch mal nach drinnen, in den Kneipen trifft man sie jedoch nur selten
an. Die sind wie selbstverständlich von Studenten belagert. Sie wohnen
praktisch dort, sie akzeptieren es wenn es um drei Uhr nachts lauter ist als um
zwölf Uhr mittags. Man liebt seine Instutionen, man weiß was man trinkt. Und trotzdem
ist man immer auf der Suche nach Ungesehenem. Nach unentdeckten Grafittis und Zeichen, nach
verlorenen Gassen, liegen gebliebenen Sachen, nach echt brauchbarem Sperrmüll, dem
richtigen Weg nach Hause. Doch sie bringt einen meist gut dort hin, weist einem mit all den leuchtenden Schaufenstern und offenen Fenstern hinter denen
Fernseher dudeln oder ein rauschendes Fest gefeiert wird, den Weg. Manchmal hört man ein
verzücktes Lachen, mal einen tiefen Seufzer. Am Ende kann es nur eine
Oberstadt geben.