Meine Knie wippen im Takt, meine Arme hängen auf drei
Uhr. Ich atme und rotze zugleich und höre dem wummernden Singsang der Menge
nach. Es hört sich so an, als würden sich die Stimmen verdoppeln, es hört sich
so an, als würde ich langsam verrückt. Der Sound der Extase, von Wut, Trauer
und Verzweiflung mischt sich im Raum zu einer Suppe die niemand mehr auslöffeln könnte ohne dabei zu kotzen. Die Dynamik die sich entfalten soll wird in einem
zehn Minuten Takt auf Band vorgegeben. Die meditative Phase erfolgt in einer
krampfhaften Erstarrung. „Stop“ schreit mir jemand entgegen, ich stelle mir
vor, es ist ein kleiner Bhagwan-Heinz in Orange der Stress-Managementseminare bei BMW leitet. Nach zwei Minuten tut mir
alles weh. Ich nehme die Hände runter und verändere still und heimlich meine Position. „Lasst
euch drauf ein!“ Höre ich in meinem Kopf geistern. Ich will aber nicht. Mein
Widerstand fokussiert sich vor allem auf Acharya Rajneesh, Bhagwan Shree
Rajneesh und Osho, welche alle drei den gleichen verqueren, spirituellen Guru
meinen. Die Abneigung gegen einzelne Halb-Götter hatte mir meine
Mutter vermutlich bereits in der pränatalen Phase introduziert. Dazu die eindeutige Haltung, dass ein „Nein,
will ich nicht“ eine durchaus legitime Position ist. Abwehrmechanismen als Ressource sowieso.
Zur Erholung liege ich in meinem abgedunkelten Zimmer
und höre Walgesänge aus meinen High-Quality Boxen. Wenn ich die Augen schließe
ist es kaum mehr abwegig sich in ein rießen Aquarium zu dissoziieren. Ich
schwimme solange, bis ich irgendwo an Glas dotze. Dann schwimme ich wieder
zurück. Mein Goldfisch-Leben ist zwar ruhig, aber auch ziemlich stumpf und einengend.
Später aalen wir uns in Matsch und werfen mit bunten
Bauklötzen. Dazu hören wir Kinderlieder und werden vom universitären
Machtmännern in Jogginghosen beobachtet. Meine Hände stecken tief in der
Scheiße und auch der Rest von mir möchte lieber wieder Erwachsen sein und gehen. Der
Mann in der roten Jogginghose mahnt uns zum Abschluss der Massenzurückführung
den kindlichen Trotz und die spielerische Freiheit nicht zu verlieren. Er gibt
uns eindringlich zu verstehen, dass man nicht immer der Leistungs- und
Disziplinargesellschaft hinterher rennen solle. Meine Konsequenz ist, auf
meinem fünf Minuten Heimweg schon wieder darüber nachzudenken nie wieder diese Turnhallen-Spielhölle zu betreten. Mein Trotz und meine Freiheit, die sogar ausgeprägt existieren, sehen sich genau durch diese Gruppen inszenierte Doppelmoral beschränkt. Der Mann in Turnhose und Yachtclub-Hemd, der Freiheit predigt und Anwesenheitslisten auslegt, der einem einen vorgefertigten Stundenplan in die
Hand drückt und jede Stunde im belehrenden, erhobenen Lehrer-Zeigefinger-Modus die
Postmoderne verflucht ohne diese Begrifflichkeit jemals diskutieren zu lassen.
Ich rege mich zuviel auf? Vielleicht. Einerseits sehe ich ein, dass eine Abwehrhaltung nicht unbedingt dazu führt, dass Menschen zufriedener sind, gleichzeitig denke ich, genau das braucht es auch. Zeit für Aufregung und Texte zum wieder Abregen. Sogar genug Zeit um besonders schlau klingende Wörter zu googlen. Nicht immer nur im Bahnen drehen im Süßwasser-Aquarium, sondern auch mal kein Bock mehr haben, gequält gucken und sich komplett verweigern. Zum Trotz und für die Freiheit in dieser ach so illustren, postmodernen Lebenswelt.
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Dazu werden gereicht: frisches Obst und gesundes Gemüse und Cat Stevens, ebenfalls besorgt wegen der bösen, wilden Welt.
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Dazu werden gereicht: frisches Obst und gesundes Gemüse und Cat Stevens, ebenfalls besorgt wegen der bösen, wilden Welt.