Sonntag, 6. November 2011

Zerrissen

Wie ein Blatt, dass man zerreißt, dann mit Tesa wieder zusammen klebt, um es dann mit der Schere wieder auseinander zu schneiden. Dann wieder zusammen kleben, dann wieder zerschneiden, und so weiter und so weiter. Kein Mensch würde so etwas Verrücktes tun, es sei denn er ist innerlich zerrissen natürlich. Du hälst deinen Kopf zwischen den Händen und starrst mich an als seihst du bereits besessen. Zwar wirkst du wie ein Ebenbild von mir, aber irgendwie bist du nicht das was ich sonst unter mir verstehe. Erst ist es kalt, dann heiß. So wie Eiseskälte und dann die Pfoten verbrennen. Müde, fallende Augen, die sich nach Aufmerksamkeit sehnen und gleichzeitig alles tun um diese zu meiden. Kalte Hände die Warm seien sollten, heiße Köpfe, die kühl bleiben sollten. Schlafen, wenn man tanzen sollte. Tanzen, wenn man schlafen sollte. Ein Lächeln auf dem Gesicht, das schief hängt, ein Mund der sich nach Wasser sehnt, in den man aber nur Kurze kippt. Kopfschmerz, auf Rauch. Marmelade auf Wurst. Alles was man macht, was aber nicht passt. In das harmonische Bild des Lebens jedenfalls. Schilder aus T-shirts reißen, reden wenn man eigentlich schweigen sollte, schweigen wenn man reden sollte. Dazwischen das Zucken im linken kleinen Finger und der Versuch mit einem gekonnten Augenaufschlag den Tag noch irgendwie retten zu können (was nicht klappen wird). Alles ist umhüllt von einer nebligen Schicht aus Missgunst und Willenlosigkeit. Fragen werden zu Qualen, Qualen werden zu Weltschmerz. Sagt man ‚ja’, wenn man ‚nein’ meint, meint man ‚nein’, wenn man ‚ja’ sagt, aber ‚nein’ denkt, aber es vielleicht alles einfacher wäre würde man die Frage einfach umgehen, oder ‚vielleicht’ sagen. Sagt man ‚vielleicht’ ist man dann der Depp. Der, der sich nicht entscheiden kann ‚ja’ zu sagen (dann ist man der ewige Abnicker und ‚Ja-Sager’). Oder eben ‚nein’ (der gnadenlose Anti). Genauso mit allem Anderen. Rechtsrum, linksrum gehen, dem Schicksal entgegen wirken, es aufhalten oder sogar mitbestimmen. Die Möglichkeiten in ganzer Linie zu scheitern steigen mit der Anzahl an Fragen und Kopfschmerztabletten. Hinzu kommen die fallenden Augen, die Kurzen, die verbrannten Pfoten. Du jammerst, aber alles was du tun kannst, ist dir den Kopf zu zerbrechen und am Ende auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Erst rechts lang, dann links lang. Erst ‚ja’ sagen, dann scheiden lassen. Erst gegen das Schicksal, es dann aufhalten und am Ende doch mitbestimmen. Erst heiß, dann kalt, dann kalt dann heiß. Möglicherweise wirst du am Ende unzufrieden und mit schwerem, pochendem Schädel, verbrannten Pfoten und einem verpfuschtem Leben da stehen und alles bereuen. Wohlmöglich hast du alles noch schlimmer gemacht und bist nicht nur innerlich, sondern inzwischen äußerlich zerrissen. Der eine Mundwinkel lacht, der andere senkt sich zur Erde und ein schiefer Blick hat sich endgültig eingestellt. Deine Stirn voll Furchen, die deine Entscheidungslosigkeit wohl besser als alles andere visualisiert haben. Dazu die dunkeln Schatten unter deinen Augen, die bei dir jedoch nicht von großen Taten stammen, sondern das Produkt deiner Grübeleien sind. Hilflos wirst du dich am Ende umblicken und den Blicken der Anderen kaum mehr Stand halten. Du sehnst dich nach Wahrhaftigkeit und dem Gefühl alles richtig gemacht zu haben, aber alles was bleibt ist die Zerrissenheit, die langsam beginnt dich vom Haaransatz an herab aufzufressen. Du starrst und denkst an bessere Zeiten und Papier das sich nicht zerreisen lässt. Dein Blick wird starrer als sowieso schon, deine Hände langsam taub. Dein Atem fließt flacher, deine Falten wachsen samtiger und irgendwann schläft du ein. Das einzig Gute ist also, irgendwann reagiert der Körper den Geist und deine Zerrissenheit beginnt an Unwichtigkeit zu gewinnen, so lange bis sie sich mit einem ‚Plop’ in Luft auflöst, du vielleicht ein paar ruhige Nächte und entscheidungsfreudige Tage, mehr von Mut, als Mutlosigkeit hast, ‚ja’ sagst wenn du es meinst und auch schon mal mit einem Kopfschütteln mutwillig Pläne zerstörst (aber zu Recht!) und dich dann, im nächsten schwachen Moment, wieder packen lässt- Zack, wie ein Blatt Papier, dass man zerreißt, dann mit Tesa wieder zusammen klebt, um es dann mit der Schere wieder auseinander zu schneiden. Und dann fängt der Kampf von Vorne an.

Altes Bild, alter Text, aktueller Kampf.