Montag, 24. November 2014

Ein Ausflug ans Meer.



Als ich eintauche ist das Meer angenehm warm und so sauber, dass ich bis auf Grund sehen kann. Bis auf ein paar kleinere Wellen ist es so ruhig wie selten. Die Sonne glitzert im tiefblauen Wasser, sie steht mir tief ins Gesicht. Heute sind außer mir nur ein paar wenige Menschen im Wasser und scheinen sich verhältnismäßig ruhig zu benehmen. Ein guter Tag. Sie reden kaum, sie spritzen nicht, sie kraulen nicht gegen einen. Sie schwimmen friedlich nebeneinander hin und her. Hin und her. Dann hört das Meer auf, dann beginnt glitschiger Fließenboden, Pommesgeruch und schreiende Kinder. Von all dem bekommt man im Meer heute nichts mit. Meine Hände gleiten durchs Wasser, mein linker Fuß zappelt ein wenig zu unprofessionell, aber ansonsten gleite ich. Ab und zu muss ich mir irgendein weißes oder schwarzes Haar von der Hand zupfen, die ich ab und zu wie kleine Trophäen einsammele. Klares Wasser hat eben auch so seine Nachteile. Heute stört mich das weniger, denn seit dreißig Minuten fühle ich mich wie ein Delfin, naja mindestens wie eine Wasserschildkröte oder wie ein Goldfisch im Glas, aber mindestens wie ein relativ glücklicher. Seit zehn Minuten schwimmen nur noch drei Frauen mit unreiner Haut durchs Becken. Ich lächele verbunden. Im Meer sind Pickel, Fett und Dellen egal, im Meer schwimmt alles oben, im Meer wird alles geheilt. Das Meer trägt die Sorgen aller Menschen einfach fort und löscht sie. Als ich diesen klugen Gedanken formuliere weiß ich, diese Ode ans Meer muss ich unbedingt aufschreiben. Dann erinnere ich mich an unschöne Tage im Meer. Tage, an denen ich um mein Recht aufs Schwimmen kämpfte, so als ginge es um mein Leben. Ging es ja irgendwie auch. Ich sehe mich am Rand stehen und auf dreihundert Menschen blicken. Auf 30 Quadratmeter Meer verteilt! Todesmutig nehme ich die kleine Treppe und versuche mich einzuordnen ohne dabei große Unruhe zu stiften, ohne dabei mehrere Menschen umzubringen, ohne selbst dabei umgebracht zu werden. Als mich ein Schmetterlings-Monster über den Haufen schwimmt weiß ich, mit Vorsicht komme ich hier nicht weiter. Also schwimme ich geradeaus, mit meinem schlimmsten, unausweichlichsten Blick. Ein paar Krauler bekommen meinen Killermodus natürlich nicht mit, also lande ich innerhalb einer Minute am äußersten Meeresrand direkt neben dem Schul/Vereins-Meer-Abteil in dem nur Schmetterlings-Schmetterer schmettern. Das Meer hat inzwischen locker zwei Meter hohe Wellen, aber ich lasse mich nicht untertauchen und halte dies für eine gute Selbstbehauptungsübung. Quasi so wie Bretter durchschlagen, nur im Meer. Am Ende schwimme ich nur noch mit hundert zufriedenen Survivors in den inzwischen deutlich seichtern Gewässern. Heute ist das Meer jedoch so still und zart zu mir, dass ich mich frage ob nicht gerade etwas Phänomenales wo anderes passiert. Der Weltfrieden tritt ein und ich schwimme? Egal. Ich erinnere mich dann, es ist drei Uhr und alle meine Kommilitonen sitzen in der Uni. Alle meine Kollegen sitzen an der Arbeit. Ich erinnere mich, dass ich alles absagte (damit meine ich eher, dass ich zu mir - so im Stillen - sagte: "ich sage ab") und beschlossen hatte eine Auszeit zu nehmen (damit meine ich eher, dass ich einfach nirgendwo hinging). Ans Meer zu fahren und einfach abzutauchen. Also tauche ich für die letzten Meter ab und schwimme meine letzte Bahn als graziler, freundlicher Delfin. Nur ohne zu atmen natürlich. Als ich völlig hechelnd, dehydriert, voller Bazillen, Keime und  Bakterien am Beckenrand auftauche, schmecken meinen Lippen dann fast ein bisschen salzig. 


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