Donnerstag, 26. Juli 2018

Birnensaft mit Botschaft



Überdrehte Gedanken und überdehnte Haut und ein klassischer Fall von Übernächtigung, Überhitzung und Überdruss. Ich liege wach und es ist halb fünf, draußen fiepen ein paar Vögel, ansonsten ist nicht viel Aktion, außer in meinem Kopf natürlich. Eine organische Masse aus Masterarbeit, anderer Arbeit, Hitze und Zukunftsangst wabert durch meinen Körper wie ein Schloßgespenst. Da es so schnell in meiner Magengegend herumwirbelt, wird mir nach ein paar Minuten schlecht. Gerade träumte ich noch man wolle mich umbringen, davor von Auslandsaufenthalten in Bratislava und dem klassischen Zugverpassen, jetzt wälze ich meinen aufgedunsenen Körper von einer zu anderen Seite und frage mich ob ich besser aufstehen, oder es noch mal versuchen sollte. Ob ich mich noch mal richtig anstrengen und bemühen sollte. Dieser Gedanke ist um halb 5 keineswegs so abwegig als wenn man ihn ausgeschlafen am Nachmittag aufschreibt, vor allem wenn man in eineinhalb Stunden aufstehen und Bücher sortieren muss. Also strenge ich mich extra an und denke völlig verkrampft an eine Stunde Tiefschlaf und wie er über mir einbricht wie eine Welle. 

Wenn ich früher als Kind nicht einschlafen konnte, was durchaus häufiger passierte, erklärte ich mir das damit, dass mein persönlicher Schlaf-Hersteller selbst eingeschlafen war und deshalb nicht für meinen Schlaf sorgen konnte. Der Schlaf-Hersteller, das war eine Mond-ähnliche Gestalt der in meinem linken Gehörgang wohnte. Er hauste dort mit seiner Assistentin, mit der jeden Abend ein seltsames Gebräu aus Tiefschlaf herstellte. Also fast immer, es sei denn er war vorher selbst eingeschlafen. Wer für ihn Schlaf herstellte war ungewiss, aber ich nahm an, dass auch er jemanden im Gehörgang sitzen hatte. Um den Schlaf herzustellen war es von besonderer Wichtigkeit ein ausgewogenes Verhältnis von Müdigkeit und Schlaf im richtigen Zeitpunkt herzustellen. Das Ganze wurde in einer Sanduhr hergestellt und ein paar Mal hin und her geschüttelt. Dann wurde die Sanduhr gekippt und es konnte nur noch Minuten dauern bis man sich schon mitten im Schlaf befand. Natürlich waren die beiden Schlaf-Hersteller nicht frei von Fehlern und es passierte, dass der Schlaf nicht lang genug geschüttelt wurde oder eine zu schwache Ausführung war. Deshalb lagen manche Menschen stundenlang wach oder hatten Schwierigkeiten einzuschlafen. Manchmal gab es auch technische Schwierigkeiten mit der Sanduhr (Verstopfungen oder Brüche), im schlimmsten Fall starb einer der beiden. Nachschub zu besorgen konnte dauern, denn Schlaf-Hersteller waren schwer zu kriegen, besonders die Guten natürlich. Manchmal redete ich mit meinem Schlaf-Hersteller, versuchte ihn aufzuwachen oder ihm zu erklären, dass es okay sei erschöpft zu sein. Manchmal half das.

Vielleicht war mein Schlaf-Hersteller einfach alt geworden. Alt und tattrig, dachte ich, mein 28 Jähriges Ich, völlig überhitzt im Kopf, um kurz vor fünf. Durch einen Spalt am Vorhang konnte ich die ersten Sonnenstrahlen sehen, wie sie bereits über die Dächer lugten. Mein Haar klebte an meiner Stirn und mein Bauch blubberte vor Aufregung. Ich hatte jetzt schon Angst vor dem nächsten Einschlafen, da ich wusste, dass es ein echter Fluch sein konnte. "Einmal schlecht schlafen, immer schlecht schlafen" und plötzlich wollte ich nur aufstehen, aber ich hatte das Gefühl, die Decke sei Eins mit mir. Ich hatte das Gefühl, dass im Laufe der nächsten Minuten alles auseinander brechen könnte. Dass ein Stück Gehirn in meinen Körper flutschen und sich dort mit anderen Organen gegen mich verschwören könnte. Ich lege mich mit meiner Stirn gegen die halbwegs kühle Zimmerwand und murmelte vor mich hin. Eigentlich konnte es nur Besser werden. Alles ist besser als mit Schlaf-Herstellern zu disktutieren, vor allem wenn man nicht mehr an seine Existenz glaubt. Wenn man weiß, es sind Wellen, die vom inneren Meer herangespült werden, die aus dem Bauch kommen und von der Leib-Beaufragten und dem Sicherheitsdienst zusammen beantragt werden. Normalerweise. Jetzt liegen sie gerade in ihre Zentralbüro, hinter dem rechten Ohr und schlafen ihren Rausch aus. 

Es ist kurz nach 5 und ich stehe auf, ziehe mich an. In der Küche trinke ich ein Glas Birnensaft. Der soll kühlen und den Magen beruhigen. Und gut für die Nerven sein. Dann gehe ich raus und verlasse diese Welt. Zum Bücher sortieren.