Montag, 30. Juli 2018

political bodies


Ich weiß nicht wieso ich auf meinem Blog selten politisch werde (vielleicht weil ich mich nicht traue? weil ich mich damit angreifbarer mache? was sollen die Leute denken?), obwohl im realen Leben häufig etwas Kritisches zu sagen habe. Und hier eine Plattform wäre um seinen (bzw. meinen) Senf ein bisschen gesellschaftkritischer um die Wurst zu schmieren. Ich habe lange überlegt (und bin zu keinem Ergebnis gekommen), aber jetzt passiert es. Es fängt auch erstmal ganz harmlos an und natürlich, es geht um Körper. 

Your Body is a wonderland...

Das schöne an einem Körper ist zunächst, dass jede/r einen hat. Das alle wissen worum es geht (ist das so?). Kurzer Reality-Check (einmal kneifen); ja das ist er. Körper sind nicht nur deshalb schön, weil alle einen haben, weil sie uns Form und Halt geben: ein Aussehen sogar. Sie sind auch wegen anderen Dingen toll: sie sind (unter anderem) gestalt-, modifizier- und verletztbar, sie haben Flecken, Punkte, Haare, Öffnungen und Wunden und die besonders geniale Fähigkeit uns am Leben zu halten. Wow (sollte man meinen). Gerade ist der Körper aktueller (war er jemals nicht aktuell?) denn je. Überall sind sie und in all ihren denkbaren Formen sowieso und überall werden sie kommentiert. Ein einzelner Körper hat die Möglichkeit eine Vielzahl von Betitelungen und Urteile zu bestehen oder daran zu scheitern (kann ein Körper scheitern?). Selbst- sowie Fremd fabrizierte Bewertungen sind überall da wo auch unsere Körper gerade sind. Ein Körper wird außerdem zur Verkörperung der inneren Umstände. An ihm zeichnet sich nicht nur das individuelle Innere, sondern auch das gesellschaftliche Äußere ab. Starke Emotionen und Stress verursachen eine Verformung des Körpers, ebenso wie Hunger, Durst und Sport. Auch das Wetter nimmt Einfluss. Man könnte also meinen Körper sind ein Ding in dem wir stecken und das wir nicht nur gestalten können, sondern sollten. Dass wir hegen und pflegen und bloß nicht verkommen lassen sollten. Denn meist hat jeder nur einen und meist wurde er sich nicht mal selbst ausgesucht. Also warum nicht: ran an den Körper, also mach das Beste daraus!

Der Körper als Objekt der Möglichkeiten

Das kann heißen: Vorsicht bei Sonne (immer schön einschmieren), Kälte (lieber ne Jacke mitnehmen) und Wind (und ein Schal am besten auch)! Das kann aber auch bedeuten: Ich esse heute nichts (oder nie mehr), ich schlafe viel (oder gar nicht), ich rede wenig (oder immer nur noch ungefragt). Oder: ich tattowiere mir ein Pferd auf den Hintern oder pierce mir einen Nasenring oder ich zwicke mich solange in den Oberschenkel, bis ich einen blauen Fleck habe. Das alles kann auch bedeuten den Körper mit Sport,  Hormonen oder Operationen zu verändern. Ihm eine neue Form geben. Alles ist, oder scheint zumindest möglich in dieser Welt. Bei all diesen Wundermöglichkeiten (die ja gar nicht per se schlecht sind), werden allerdings häufig einige Aspekte außer Acht gelassen. Zum Beispiel:

Körper und Privilegien 

Körper sind nicht nur alle unterschiedlich, unterschiedliche Körper haben auch unterschiedliche Möglichkeiten. Und das ist völlig random: je nach dem wo ein Mensch geboren wird, unter welche Voraussetzungen jemand aufwächst und aussieht hat einen großen Einfluss auf das restliche Leben. Ein Körper wird durch sein Aussehen und seine Form, seine innere und äußere Verfassung, sein Alter und seine Gesundheit zu einem Ort der Macht. Dort gibt es Privilegien, aber auch eine große Anzahl Benachteiligungen. All diese sind gesellschaftlich konstruiert und haben rein gar nichts mit den Menschen zu tun, die rein zufällig in den Körpern stecken. Weiße, schlanke Körper haben es einfacher als schwarze, dicke, kranke oder kaputte Körper in dieser Welt. Und da können sie sich noch so anstrengen, sich noch soviel selbst lieben und noch soviel kneifen. Das heißt nicht dass weiße, schlanke Menschen keine Probleme haben. Dennoch haben sie (ich auch) viele Privilegien und werden nicht nur seltener für ihr Aussehen bewertet, sondern auch bevorzugt mit positiven Charaktereigenschaften verknüpft. Und das ist ziemlich ungerecht.


Schön-Sein

Im ganzen Körperzirkus ist 'schön-sein' (whatever that means) ein hohes - wenn nicht das höhste - Gut. Schön sein, bedeutet aktuell für Frauen beispielsweise sportlich-schlank zu sein (nicht zu dünn!), glatte, haarlose leicht gebräunte Haut zu haben und saubere Kleidung zu tragen, nicht zu grell, nicht zu auffällig, aber auf keinen Fall nichtssagend und unscheinbar. Diese Schönheitsvorstellungen verändern sich zudem alle paar Meter und Jahre. Die Erfüllung der Ideale spricht deshalb auch dafür, dass ich es schaffe mitzuhalten, dass ich aufmerksam den Zeitgeist kenne und mitverfolge. Ein derzeitiger Trend geht nicht nur da hin, dass andere uns lieben, weil wir schön sind, sondern auch das wi uns selbst lieben, weil wir schön sind (am besten: so wie wir sind). Das Ganze heißt dann: Self-Love. An Selbstliebe ist sicher nichts verkehrt, es sei denn; du musst. Es sei denn: schön-sein ist wichtiger als 'Sein'.


Körper als Orte der Scham

Bist du nicht schön, schämst du dich schnell. Warum? Wegen deines Körpers. Er ist nicht so wie er seien soll und selbst wenn; er könnte besser sein. Selbst wenn er perfekt funktioniert, Gründe um sich zu schämen sind dennoch zahlreich vorhanden. Zum Beispiel: er blutet (Frauen sind davon besonders 'betroffen'). Zum Beispiel: er stinkt, er kratzt oder macht komische Laute. Scham ist kein rein weibliches Phänomen und doch werden besonders Frauen von Körperscham heimgesucht. Warum? Vielleicht weil sie häufig besonders auf ihre Körper reduziert werden, vielleicht weil sie gelernt haben nicht okay zu sein, vielleicht weil sie es einfach nicht besser wissen. Scham ist eine seltsame Emotion und braucht eigentlich immer ein vorgestelltes Gegenüber. Wer könnte das sein? Ein Mann? Die Eltern? Freunde? Warum sollten die urteilen? Weil es alle tun. Weil sie sich selbst nicht mögen. Weil es andere nicht tun. Ein klassischer Teufelskreis. 

Geschlechtskörper 

Ein Körper ist auch deswegen politisch, weil er in unserer Gesellschaft angibt welches Geschlecht wir haben. Meist wird hier nur zwischen weiblich und männlich unterschieden. Dieser Unterschied ist wahrscheinlich überhaupt nicht nötig, geht aber auch wiederum mit einer Vielzahl von weiteren gesellschaftlichen Unterschieden und  Zuschreibungen einher. Je nach dem welches Geschlecht unser Körper anzeigt (oder auch nicht), gibt Auskunft darüber, welche Vorstellungen und Erwartungen damit in vielen Köpfen stecken. Ein Junge im rosa Glitzerkleid? Eine Frau als EZB Fifa Vorsitzende? Ein Mensch der nicht als Frau oder Mann gesehen werden will, sondern sich einfach als Mensch fühlt? Für viele Menschen unvorstellbar. Warum? Wahrscheinlich weil Schubladen und Kategorien die Welt ordentlicher und berechenbarer aussehen lässt. Aber die Welt ist genauso kompliziert wie wir und deshalb sind Geschlechterkörper ebenfalls politisch. Sie reproduzieren Machtverhältnisse auf diverse Weise.

Ich bin: mein Körper. 

Bei all den vielen Inszenierungen vergessen wir häufig (ich auch), dass wir nicht nur einen Körper haben, sondern gleichzeitig auch eben genau dieser sind. Mein Körper ist ich, ich ist mein Körper. Eine Trennung von dem was wir als Ich bezeichnen und dem, was wir Körper nennen ist zwar sprachlich möglich, nicht aber real trennbar. Es sei denn wir sind tot natürlich. Dann war da mal Ich und doch ist da noch ein Körper. Fest steht für mich auch, nur weil ich weiß, dass ich all diesen gesellschaftlichen Vorstellungen von Körper und Körper-Sein ausgesetzt bin, heißt dies noch lange nicht, dass ich von all diesen Konstrukten frei bin. Im Klartext: ich urteile, ich bewerte Körper, meinen und andere, andauernd. Auch ich will eigentlich fit sein, am Besten muskulös, aber schlank, leicht gebräunt und auffällig genug gekleidet, aber nicht zu auffallend. Und ich schäme mich wenn ich faul bin, wenn mein Körper dellig, wellig und unstraff erscheint. Schöne Scheiße also.

Wieso also dieser Text?
Ich plädiere natürlich auch dafür, weniger zu urteilen und Körper-Menschen 'sein' zu lassen. Sich bewusst zu machen, welche Auswirkungen es hat und haben könnte, aber auch welche Einflüsse auf mich selbst einwirken. Wie so häufig geht es um Awareness und Selbstrefektion und um das Ausprechen von Gedanken. Vielleicht ist es möglich so (oder so ähnlich) Dinge zu verändern (maybe, maybe not).