Dienstag, 25. September 2018

How to create yourself a Übergangsritual?

Sinnbild, passend zum Thema (ebenfalls Portugal).

Um von einer Phase in eine andere zu gelangen braucht muss man meist nur weiter zu laufen. So lange bis man automatisch da angekommen ist, wo das nächste Abenteuer beginnt. Meist erwartet einen dann auch kein Startschild, kein Warnsignal oder keine besonders rührige Rede, sondern ein Wald voller neuer, wirrer Wege und Herrausforderungen. Manchmal ändert sich nichts, außer die Morgenroutine (gezwungenermaßen) oder ein neuer Titel, mit dem man glänzen kann (Master of Desaster?). Manchmal ändert sich nichts und trotzdem die Gewohnheiten, die Orte an denen man sich ab sofort aufhält, die Dinge, die man ab sofort anfängt. Manchmal ändert sich alles ohne dass ein Übergang überhaupt stattgefunden hat.  
Konkreter beschrieben: gefühlt ändert sich einiges (ein Job mit neuen Strukturen, Aufgaben und Inhalten), während ich bleibe wer ich bin (vielleicht). Natürlich blinken da Warnsignale innerlich und ab und zu auf (schaffe ich das? kann ich das? will ich das? bin ich das?). Panik und Vorfreude überwiegen gleichermaßen. Aus diesem fluiden Zustand heraus bietet es sich an etwas zu machen und einen methaphorischen Übergang praktisch zu durchlaufen (dachte ich mir). Vor allem wenn man (also ich) noch zweieinhalb freie Woche vor dem neuen Arbeitsleben hat! Als metaphorisch-aufgeladenen Weg habe ich mir den portugiesischen Jakobsweg (von Porto bis Santiago) ausgesucht, denn was eignet sich besser für einen Übergangsritual, als ein sowieso schon spirituell-kapitalistisch ausgebeuteter Weg? Eben! 

Ebenso gespannt wie auf die Kilometer, Herbergen, Landschaften und Erkenntnisse, bin ich natürlich auf die Korrektur (oder Bestätigung?) all meiner schönen Vorurteile und Ängste, der Weg könne zu voll (keine Betten oder nur Schnarcher-Herbergen), zu laut (nie habe ich meine Ruhe), zu dogmatisch (alle ohne Kreuz am Hals und genügend Stempel im Stempelheft werden verachtet) und viel zu lang (ich gebe nach 10km auf und miete mich in einer Strandbar ein) sein (mal kurz zusammengefasst). 
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dieses Abenteuer könnte genau das sein, was ich jetzt brauche: Bewegung, Zeit für mich, viel Meer und ja auch ein gut organisiertes Wandernetzwerk (bezahlbare Unterkünfte, gutes Essen und ausgeschilderte Wege). 
Eigentlich wollte ich bereits vor einigen Jahren den Küstenwanderweg in Spanien beschreiten, hatte mir schon ein ganzes Equipement an Wanderausrüstung angeschafft und bin am Ende dann doch zuhause geblieben (weil ich zu wenig Zeit, einen Umzug zu organisieren und wahrscheinlich doch etwas Schiss hatte). Laut meiner Recherche hat der portugiesischen Jakobsweg dem Küstenwanderweg gegenüber den Vorteil, dass er etwas einfacher (wenig bis keine Steigung), noch besser ausgebaut und zudem innerhalb von zwei Wochen laufbar ist. Deshalb habe ich mich spontan für diese Variante entschieden und zwei Flüge (nach Porto und von Santiago de Compostela zurück) gebucht. 

Und nun ist es schon so weit: mein Rucksack wiegt genau 7,5kg, ich habe den Personalguide zumindest überflogen (die Packliste etwas genauer angeschaut) und mir sogar zwei Muscheln als Wegbegleiter präpariert (eine für den Rucksack, eine für das Wanderdekollté, herje!). Meine Wanderoutfits sind alle Atmungaktiv, leicht trocknend und farbenfroh und Stift und Kladde für die Dokumentation von sämtlichen Geisterbegegnungen habe ich natürlich auch dabei. Kann nichts mehr schiefgehen. Also: let's fucking walk!
 
So - oder so ähnlich romantisch - soll das dann aussehen!



Samstag, 22. September 2018

lange Nächte im Schiffstrakt

Es ist dreiundzwanzig Uhr und vierundzwanzig Minuten, das Licht ist grell und kriselt. Im Schiffstrakt Eins-Ost ist es ruhig, ab und zu hustet wer (wegen der viel zu kalten Klimaanlage) und im Hintergrund tippen auch ein paar Menschen geräuschvoll Wörter in den hell flimmernden Computer (so wie ich). Seit fünf Stunden sitze ich hier und beschäftige mich hauptsächlich mit intensivem vor mich hin Starren und fröhlichem Zukunftsplanen. Also nicht so reelles Planen, mehr so Kopfkino. Hin und wieder fragt war was und ich höre zu, nicke, lächele und  antworte dann jedes Mal "es tut mir Leid, ich habe keine Ahnung". Viel lieber würde ich sagen "ich bin bloß eine Attrappe" oder "ich existiere hier nur zum Schein". Aber damit würde ich der Service-orientierten Haltung nicht mehr gerecht, die man uns hier versucht aufzuschwatzen. Nach dieser freundlich - aber bestimmten - Antworten werde ich feindselig angestarrt oder bekomme verbale Pflaumen an den Kopf geworden. Manchmal ist es auch einfach ein Stinkefinger. Dann schaue ich noch ungläubiger als sowieso schon, schüttele meinen trägen Kopf von der einen zur anderen Seite und möchte am liebsten schreien "I don't give a Fuck" oder zumindest mal "What the Fuck?" aber hier darf man ja nicht schreien. Nicht mal sprechen. Und ein geflüstertes Fluchen ist irgendwie auch nichts. Also bleibt es beim stoischen Kopfschütteln. 

Im Grunde ist es mir völlig egal, ob sich hier an die Regeln gehalten wird und eigentlich fände ich großen Gefallen daran, diese zu brechen oder anderen beim Brechen dieser Allgemeingültigkeiten zu zusehen. Aber alle verhalten sich meist so konform, dass ich mich kaum traue in die Tasten zu hauen, dass ich mich beim Trinken wirklich nur aufs Trinken konzentriere und auch das abrupte Aufstehen vermeide. Ich könnte etwas um rempeln, um schmeißen, Lärm oder Chaos verursachen und am Ende könnte ich Menschen davon abhalten wenige Sekunden starr und hochkonzentriert in die Bildschirme zu starren. Und das wäre wirklich viel zu crazy. Denn die Leute die hier um inzwischen viertel vor elf sitzen meinen es wirklich ernst und verstehen meistens auch nicht allzu viel Spaß. Wahrscheinlich haben sie Schlafstörungen. Sie sollten sich also lieber auf die neu eingerichtete Loungeecke schmeißen und die letzten Minuten vor sich hin dösen, statt hier einen auf Marathon zu machen. Wenn ich Krach machen dürfte, würde ich ihnen diesen Tipp gratis zu rufen... aber was red' ich: alle wie sie mögen. 
Ich mag allerdings nicht mehr und mein Kopf fällt alle paar Meter träge in Richtung rot lackierten Linoleumboden. Es wird Zeit, dass es einmal, dann zwei mal gongt und alle sich langsam hinaus begeben. Dass auch die letzten ihre Taschen packen, ihre Dokumente abspeichern und für einen kurzen Moment Frieden herrscht. 
Nachts im Schifftrakt.