Ich erlebe den Dienstagmorgen wie er mit großer Anstrengung beginnt. Er
beginnt damit, dass ich mich mühsam, wie eine schwerfällige alte Dame aus dem
Bett kriechen muss. Gebrechlich, träumend, verwirrt. Ich schleiche ins Bad,
zurück in mein Zimmer und muss mich aus- und wieder anziehen. Allein diese
Aktivitäten halte ich vor acht Uhr morgens für relativ zumutbar. Aber dann geht
es aber erst richtig los. Brot, Butter, irgendwas, kauen, schneller kauen,
Wimpern tuschen, wenn es gut läuft noch ein bisschen rouge’ieren. Meistens
läuft es nicht gut und ich bin froh wenn ich Schuhe und eine Hose trage. Wenn
ich dann um kurz nach acht in der kleinen Turnhalle stehe möchte ich mir am
liebsten erst einmal ein Bundesverdienstkreuz verleihen. Also mindestens. Stattdessen
bekomme ich jetzt die Aufgabe meinen Körper noch ein bisschen mehr
wahrzunehmen, ein bisschen mehr zu spüren, sehr achtsam zu sein, aber meine
körperlichen Bedürfnisse so weit zurück zuschrauben, dass ich am Ende völlig
wach und präsent bin. Ehrlich, spontan, kritisch, selbstkritisch, mit mir, mit
den anderen, spiegelnd, den Spiegel wahrnehmend, auf mich konzentriert, meinen
Bedürfnissen entsprechend. Ganz authentisch eben, nur nicht schlafend. Wir
tanzen umher wie ein Haufen desolater Tiere. Tiere denen ein Bein fehlt, die
deshalb hinken und seltsam im Kreis springen. Nachdem ich oder die Turnhalle
nach Schweiß stinkt, habe ich nach ein paar animalischen Bewegungen die eher
einer schlafenden Katze ähneln, bereits meine körperliche Höchstgrenze erreicht.
Ich halte es für eine Höchstleitung was wir hier machen, ich halte es für unerklärlich,
dass wir hier trotzdem immer wieder auftauchen, im Kreis sitzen und nicht
heimlich den Raum verlassen. Das Konzept scheint also zu funktionieren. Ich zerbreche weder, noch schlafe ich ein, halte mich wacker, öffne und
verschließe mich wieder. Erst herrscht lange Stille, dann fängt es
langsam an zu jucken und am Ende wird überall aufgekratzt. Manchmal blutet es
dann, tropft wie ein trauriges Rinnsal durch den Kreis und jeder der will
oder kann leckt mal ein bisschen daran. Dann geht es wieder zurück. Aus der
Turnhalle, in die reale Welt, zurück in mein Bett. Dort bin nur ich, mit meinen trägen Beinen, meinen schweren Muskeln und kreisenden Gedanken. Nach ein paar Mal tiefem Ausatmen schlafe ich bereits tief und fest. Am Ende - und damit meine ich die überstandenen Selbst-Erfahrungen, die von verkrümmten Bewegungen, über offne Ohren, verständnisvolle und missverständliche Blicke und Worte reichten - ist es 12 Uhr mittags und mein Körper siegt über den verwirrten Geist.
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Rückblickende Verarbeitung von frühmorgendlichen Uni-Experimenten.
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Rückblickende Verarbeitung von frühmorgendlichen Uni-Experimenten.