Mittwoch, 13. Februar 2013

- time flies -




Du sitzt mir gegenüber, am anderen Ende des Raumes. Alles was wir teilen sind eben dieser und die Zeit, die unendlich scheint. Wir kennen uns nicht, alles was wir wissen scheint offensichtlich. Deine Augen sind müde, deine Haltung gleicht die eines nassem Sack. Ich mutmaße, dein Nacken spannt, dein Kopf ist diesig. So wie meiner. Wir wissen, wir sind unterwegs, wir wissen wir kommen bald an. Wohin du willst ist genauso rätselhaft wie warum du dorthin willst. Wir teilen unendliche Stunden, sitzen ab und warten auf einen Anschluss, der nicht kommt. Du trägst braune Lederschuhe, deine Hände liegen zusammen geknäult in deinem Schoss. Immer wieder schaust du von der Anzeigentafel aus dem Fenster, auf deine Schuhe und ab und an schweift dein Blick ratlos durch den Raum. Wir teilen das Sichtfeld, wir sichten eine dicke Frau die umständlich versucht ihren Schuh zu binden. Wir teilen ein Schmunzeln, einen verkniffenes Lachen als wir beide hoch schauen. Deine Augen leuchten, aber wir kennen uns nicht. Vielleicht kommst du aus reichem Elternhaus, deine Kleidung sieht irgendwie reich aus - aber auch betont einen auf lässig gemacht. An deinem Arm funkelt eine goldene Uhr, die dich entweder ein Vermögen gekostet hat oder du ein echtes Flohmarkt-Opfer bist. Vielleicht hast du ein Ferienhaus in Südfrankreich, vielleicht eine Patenschaft für einen Wal, ich kann da jetzt nur mutmaßen. Deine Schwester wohnt in Paris und backt dort kleine Kuchen, deine Eltern sind beide Kinderärzte. Du verbringst deine Ferien gern im Bett, mit dem in oder anderen blonden dünnen Mädchen natürlich. Du würdest nie heiraten, nie jemanden deine Liebe gestehen, dafür hast du viel zu viel Angst. Du wirkst nervös vielleicht hast du also auch Angst vorm Fliegen, oder Angst einen deiner Flammen wieder zu sehen. Du rauchst, aber eigentlich wolltest du längst aufhören, wenn du bei deinen Eltern bist, putzt du dir vorher extra drei Mal die Zähne und legst neues After Shave auf. Du benutzt eines das ein bisschen nach Pinien und Zeder riecht, du rasierst dich nicht regelmäßig weil du weißt die dünnen blonden Mädchen stehen drauf. Du brauchst jemanden der dir Freiraum gibt, dir aber ab und zu einen Kaffee macht. Jetzt schaust du wieder hoch, vielleicht nickst du. Du magst Jazz und starken Gin, wenn du betrunken bist, siehst du aus wie ein waschechter Rockstar. Das magst du, das mögen die Frauen. Eigentlich bist du Sternzeichen Löwe, aber du erzählst allen Fremden du seist Skorpion. Du denkst das macht dich interessanter und die Frauen gebend dir wie immer Recht. Also feierst du mit ein paar Auserwählten am 13.November. Im Grunde ist das dein größter Clou. Du denkst, du bist besonders gewitzt, aber viele belächeln dich deswegen. Sie denken du bist einfach nur ein Wichtigtuer, ein kleiner Großkotz. Die, die deine Eltern und das Haus in Südfrankreich kennen, denken außerdem du bist ein kleines Arschloch. Trotz wollen sie immer mit dir dorthin, natürlich. In deinem Handgepäck hast du ein Buch von Kafka und eines von der Spiegelbestsellerliste. Kakfka liest du nur so zum Schein, damit die dich beobachten denken du studierst irgendwas besonders Cooles, so was wie Literatur und Kunst. Stattdessen studierst du Medizin, klar wie deine Alten. Deine Profs sind alte Saufkumpanen deiner Eltern. Damit das weniger auffällt erzählst du deinen Kommilis deine Eltern seien Schriftsteller. Gefuchst wie immer, aber klar, die Hälfte hat es wieder durchschaut und denkt nun du seist ein kleiner Spinner. Natürlich weißt du was geredet wird, aber du versuchst es zu ignorieren. Genau wie die Blicke, die im Grunde nicht mehr zu ignorieren sind. Von der Verrückten gegenüber, von der mit dem Notizblock auf dem Schoß. Wahrscheinlich schreibt sie Tagebuch oder irgendwie so was Bescheuertes. Du starrst mich kurz an und ich erschrecke. Kurz denke ich, du weißt es. Du weißt was das ich hier gerade dein Leben abhandle. Dann schüttele ich nur mit dem Kopf und lächle während du wahrscheinlich langsam Panik bekommst. Draußen fliegen Flugzeuge irgendwo hin. Starten, kommen an. So wie wir. Teilen Zeit und Raum. Für ein paar Stunden unseres Lebens. Dann sehen wir uns nie wieder, teilten nie mehr als ein paar Blicke und ein völlig übertriebenes Kopfgespenst. Wir verschwinden in unseren Welten. Stattdessen könnten wir jetzt Crossaints essen gehen und danach ein Hotelzimmer nehmen. Stattdessen könnten wir zusammen deine Schwester in Paris besuchen und ihr beim Kuchen backen zu sehen. Wir könnten nach Südfrankreich, ich würde deine ganze Gefuchsheit bewundern und niemand von deinem zweiten Geburtstag erzählen. Alle würden stauen. Die zwei die sich zwischen zwei Flügen kennen und lieben lernten. Dein Kopf neigt sich langsam Richtung  quitschiger Fußboden; könnten ein Zeichen der Zustimmung sein, oder aber eines dafür, dass du jetzt langsam weg nickst. Der Flieger ist bereit, er ruft schon nach uns. Langsam und wieder einmal betont lässig packst du dein Zeug, versicherst dich ob du auch wirklich alles hast, bindest deine brauen Lederschuhe nochmal, schaust auf deine Bonzenuhr. Vielleicht bist du der schlimmste Spießer den ich jemals am Flughafen beobachten konnte, vielleicht auc
nicht. Dann schaust du hoch und hebst die Hand, schaust mich an und lächelst ein müdes, verzaustes Hollywood-Lächeln. 'Aurevoir' sage ich und lache mich dann, später, über den Wolken, ein bisschen selber aus. 

"Einmal Tomatensaft mit Salz und Pfeffer". Ein typischer Snobbi-Satz.